23.09.2024

Energy Sharing im Käfig gehalten

„Ich möchte gerne meinen überschüssigen Strom aus meiner PV-Anlage an euch verkaufen, geht das?“ fragt ein BEN-Mitglied, der in einem Einfamilienhaus wohnt, in einem Telefonat. „Nein, leider haben wir dafür noch keine rechtliche Grundlage“, antworten wir ihm. Derzeit muss dies entweder direktvermarktet werden, was bei kleinen Anlagen faktisch nicht möglich ist, oder ins Netz eingespeist werden.

Nächster Termin: Wir sind angefragt ein Mieterstromprojekt in einem Quartier mit 7 Mehrfamilienhäusern zu entwickeln, in die einzelnen Häuser teilweise 2 Hausanschlüsse haben. An jedem Hausanschluss sind 4-6 Wohnungen angeschlossen. In einem Haus haben alle Bewohnerinnen und Bewohner Interesse, Mieterstrom zu beziehen. Im Haus nebenan nur zwei. „Wenn meine Nachbarn im Nebengebäude nicht mitmachen wollen, dann können wir doch den Solarstrom hier verwenden?“ sagt eine Mieterin und zeigt nach nebenan. „Leider ist das nicht so einfach,“ erklären wir. „Dafür müssen wir die Hausanschlüsse technisch verbinden und das geht hier leider nicht.“ Denn das war das Feedback des Netzbetreibers.

So gibt es viele Beispiele, die zeigen: wir möchten die Energie gerne dort effizient verbrauchen, wo sie produziert wird. Wir möchten den Strom regional nutzen und teilen, statt ihn über teure Leitungen in andere Regionen zu schicken und gleichzeitig über diese teuren Leitungen Strom aus anderen Regionen einzukaufen. Wir möchten als Energiegenossenschaft die lokale Wertschöpfung stärken und Menschen ein lokales Angebot machen können. Lange haben wir daher auf einen rechtlichen Rahmen für das sogenannte Energy Sharing gewartet.

Nun hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) in einem Referentenentwurf zur anstehen­den Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) endlich einen konkreten Vor­schlag gemacht, um die ge­mein­schaft­­li­che Nutzung bzw. das Teilen von lokalen Ökostrom (#EnergySharing) mög­lich zu machen.

Ein Grund zur Freude?

Wenn man nun allerdings erwartet, dass dieser Vorschlag Lösungen liefert und Geschäftsmodelle ermöglicht, wird man leider enttäuscht. Denn das Ministerium geht zunächst davon aus, dass es sowieso ein Nischengeschäft bleibt und versucht daher gar nicht erst, wirtschaftliche Anreize zu setzen, die notwendig wären, um dieses Modell auszurollen. Nach diesem Vorschlag müssen wir für den Strom, den wir im Haus nebenan produzieren oder von unserem Mitglied einkaufen, weiterhin alle Netzentgelte, Abgaben und Umlagen bezahlen. Dabei wäre es nur fair, wenigstens reduzierte Netzentgelte zahlen zu können, weil wir die Verteilnetze entlasten können und generell keine Übertragungsnetzentgelte fällig werden.

Darüber hinaus sieht das Ministerium vor, dass „der Betrieb von Anlagen zur Erzeugung elektrischer Energie nicht Haupttätigkeit des die Anlage betreibenden oder mitnutzenden Letztverbrauchers ist“ (§ 42c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EnWG). Doch wer soll Energy Sharing dann umsetzen, wenn nicht diejenigen, die auch Erzeugungsanlagen betreiben? Sind Bürgerenergiegesellschaften nicht die erste Akteure, die regional produzierten Strom mit Menschen in der näheren Umgebung teilen? Allerdings ist deren Haupttätigkeit in der Regel der Betrieb von Solar- oder Windkraftanlagen und damit sind sie ausgeschlossen. Warum?

Eine Idee im Käfig

So müssen wir leider feststellen, dass wir für unser Mitglied und unser Quartierskonzept weiterhin keine Lösung haben und der Referentenentwurf die Idee des Energy Sharings weiterhin in einem Käfig gefangen hält. Gemeinsam mit unseren Partnern im Bündnis BürgerEnergie setzen wir uns für eine Verbesserung des Vorschlags ein und setzen auf den parlamentarischen Prozess, in dem dieser noch angepasst werden kann. Denn am Ende haben wir doch alle ein Ziel: wir wollen die Klimaziele schaffen. Wir wollen die Energiewende schaffen. Und wir wollen Menschen an dieser Transformation beteiligen. Oder etwa nicht???

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